1597 umfasste der Besitz des Klosters Ochsenhausen in Tannheim neben dem Amtshaus, das vom Kloster selbst bewirtschaftet wurde, die Obere („Riedmühle“) sowie die Untere Mühle, eine Ziegelhütte, eine Badstube und 58 weitere Anwesen, die als Lehen zu Besitz und Nutzen, nicht jedoch als Eigentum vergeben wurden. Durch das Lehen entstand zwischen Lehensherren – dem Kloster – und Lehensmann – dem Bauern – ein Verhältnis der Untertänigkeit und Leibeigenschaft. Der Lehensmann wurde zur Leistung von Diensten und Abgaben an den Lehensherrn, der Lehensherr vor allem zur Gewährung von Schutz gegenüber dem Lehensmann verpflichtet. So hatten die Bauern des Klosters Ochsenhausen neben dem bekannten Zehnten, der zunächst eine Abgabe an die Kirche gewesen war, jährlich die Gült, meist in Form von Roggen und Hafer, und das sogenannte Küchengefälle (z. B. 100 Eier, 2 Hühner, eine Fastnachtshenne) zu entrichten. Außerdem waren an einigen Tagen im Jahr Fuhr- oder Handfronen zu leisten. Eine schwere Last stellten darüber hinaus die Abgaben dar, die bei der Aufgabe eines Gutes („Abfahrt“ oder „Weglöse“), beim Aufzug eines neuen Inhabers („Auffahrt“ oder „Ehrschatz“) oder beim Tod des bisherigen Lehensträgers („Tod-“ oder „Erbfall“) zu leisten waren. Im Ochsenhausener Klostergebiet waren die Auffahrt auf 10%, die Abfahrt auf 5% und der Erbfall auf 2,5% des Wertes des betreffenden Gutes festgesetzt. Mit wenigen Ausnahmen waren die Tannheimer Lehen Erblehen, sie gingen also nach dem Tod des Lehensmannes gegen Entrichtung einer einmaligen Entschädigung auf einen Erben des Verstorbenen über und fielen nicht an das Kloster zurück. Diese Besserstellung gegenüber vielen umliegenden Herrschaften hatten sich die Untertanen des Ochsenhausener „Gottshauses“ 1502 unter Beteiligung von 42 Tannheimern mit einem Aufstand erstritten. Da das Erbe in Oberschwaben in der Regel nicht geteilt wurde, mussten die Geschwister des „Anerben“ mit Geld abgefunden werden. Dazu gehörte auch die „Aussteuer“, die bei einer Bauerntochter auf alle Fälle aus einer „angemachten“ Bettstatt, einer Truhe oder einem Kasten sowie einer Kuh bestehen sollte.
Die Leibeigenschaft war erblich und ging nicht vom Vater, sondern von der Mutter auf ihre sämtlichen Kinder über. Sie kam in einer kleinen jährlichen Abgabe, der „Leibhenne“, zum Ausdruck. Eine viel größere Belastung war die „Leibledigung“, die anfiel, wenn ein Familienmitglied in eine andere Herrschaft ziehen wollte. Sie wurde nach dem Vermögenswert des Betroffenen berechnet und betrug 2,5% bis 10% davon! Aufgehoben wurde die Leibeigenschaft für ganz Württemberg erst im Jahre 1817.
1516 ließ Abt Andreas Kindscher (reg. 1508-1541) in Tannheim einen neuen Pfarrhof errichten, der 1550 unter Abt Gerwig Blarer (reg. 1547-1567) im Inneren eine reichere Ausstattung im Stil der Renaissance erhielt und heute als wohl ältestes und schönstes Fachwerkgebäude des Illertales gilt. Dass sich die bereits mit dem Auflehnen gegen die Obrigkeit erfahrenen Tannheimer Bauern ab 1524 auch am Bauernkrieg beteiligten, ist zu vermuten, jedoch kam das Kloster Ochsenhausen aufgrund der Regelungen von 1502 relativ glimpflich davon.
Eine verhältnismäßig günstige Besitzstruktur ergibt sich für Tannheim aus der Tatsache, dass im 16. Jh. dreizehn Höfe 50 Jauchert und mehr Land bewirtschafteten (1 Jauchert entspricht zwischen 0,4 bis 0,5 ha), acht Höfe 20-49 Jauchert und neun Höfe 10-19 Jauchert. Knapp die Hälfte, nämlich 28 Bauern, besaßen weniger Land oder nur „Söldhäuser“ mit Gärten. Diese Besitzverteilung lässt sich in Tannheim bis ins 18. Jh. hinein nahezu unverändert beobachten.
Bis ins 19. Jahrhundert wurde auch in unserem Dorf die Dreifelderwirtschaft betrieben. Dieses Anbausystem unterteilte die gesamte Ackerflur in annähernd drei gleich große „Zelgen“, „Ösche“ oder „Felder“, die abwechselnd mit Wintergetreide und Sommerfrucht bestellt wurden, im dritten Jahr aber brachlagen, damit sich der Boden für einen neuen Anbauzyklus erholen konnte. Erst mit der Einführung der Stallfütterung wurde auch das dritte Feld mit Hackfrüchten (Kartoffeln, Rüben) oder mit Klee bestellt.
Eine gewisse Selbstverwaltung der Untertanen gegenüber der Herrschaft bildete sich in Form der Gemeinde bereits sehr früh heraus. Die Gemeinde war Partner, manchmal aber auch Prozessgegner der Herrschaft, verfügte also über ein gewisses Maß an Selbständigkeit und vertrat so die Interessen der Gemeinschaft. Die wohl im 15. Jh. gebildete Gemeinde Tannheim ist erstmals 1526 urkundlich nachweisbar, als sie mit dem Kloster Ochsenhausen einen Vertrag über Anlage und Unterhalt einer Wasserleitung schloss. Das um 1567 entstandene ehemalige „Hirtenhaus“ (heute Friedhofstraße 5), das – wie sein Name bereits sagt – lange Zeit vom Gemeindehirten bewohnt wurde, und die vom 16. bis ins 18. Jh. nachweisbare Dorfschmiede „auf der Linden“ befanden sich in Gemeindebesitz. Die noch heute in Tannheim gängige Flurbezeichnung „Allmand“ leitet sich vom Wort „Allmende“ her, das ein Grundeigentum – vornehmlich Wald- und Wiesenflächen – bezeichnete, welches sich in Gemeindebesitz befand und von allen Gemeindemitgliedern genutzt werden konnte. Die Gemeindeberechtigung war allerdings keineswegs Sache aller Einwohner eines Dorfes, die unteren sozialen Schichten etwa blieben meist ausgeschlossen.
Für das Schulwesen zeichnete dagegen lange Zeit nicht die Gemeinde, sondern das Kloster verantwortlich. Nachdem es wohl bereits seit Anfang des 15. Jahrhunderts in Ochsenhausen selbst eine Klosterschule gegeben hatte, die auch Laien zugänglich war, begann sich das Bildungswesen mit der Reformation und der kirchlichen Erneuerung im 16. und 17. Jahrhundert zu differenzieren: Nach und nach setzte sich ein zweigliedriges Schulsystem durch, das auf der unteren Ebene Elementarschulen für Lesen, Rechnen, Schreiben und Religion aufwies, auf der oberen Ebene hingegen Lateinschulen, Lyzeen und Gymnasien für Fremdsprachen, Geometrie und Philosophie. Allerdings war der kostenpflichtige Schulbesuch zunächst ein Privileg der vermögenderen Schichten, zudem blieben Mädchen wegen des damaligen Rollenverständnisses zumeist vom Schulbesuch ausgeschlossen. Das Kloster Ochsenhausen erwies sich jedoch im Bildungswesen als vorbildlich und richtete nach und nach in allen Pfarreien des Herrschaftsgebiets Schulen ein und stellte dort, wo der Pfarrer nicht imstande war, zu unterrichten, auf eigene Kosten einen Lehrer ein. Die Ochsenhausener Schulordnung von 1747 trug schließlich den Eltern auf, ihre Kinder „beiderlei Geschlechts“ „fleißig“ in die Schule zu schicken. Armen Eltern wurde aus Mitteln der Kirchenstiftung das Schulgeld ersetzt, damit alle zu „guten katholischen Christen“ erzogen würden. Festgesetzt wurde weiter die Dauer des Schuljahres, das an Martini (11.11.) begann und an Georgii (23.4.) endete. Unterrichtet wurde täglich zwischen 8 und 11 Uhr sowie zwischen 13 und 16 Uhr.